Bericht Nr.4

Mittwoch, 17.09.2014

Mein letzter Bericht (manches steht auch im Blogeintrag weiter unten😉)...

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Einzigartig und Intensiv – so würde ich mein Jahr in Südafrika beschreiben. „Toll“ verzichtet auf Probleme, die es auf jeden Fall gab, „Herausfordernd“ hört sich an, als hätte es keine leichten, schönen Momente gegeben und „Interessant“ klingt distanziert. Deshalb also einzigartig und intensiv.

Im Flugzeug habe ich erst realisiert, dass es wirklich vorbei ist, dass es nie wieder so sein würde. Das hat mich sehr traurig gemacht und ich merke jetzt auch wirklich, dass das Leben hier in Deutschland in meiner gewohnten Umgebung nicht so eine Intensität hat wie in Südafrika. Ich bin nicht sicher, ob es am Land, an meiner Arbeit oder der Lebenssituation lag, vermutlich eine Kombination aus allem. Auf jeden Fall war es etwas ganz Besonderes und ich bin sehr dankbar, dass ich die Chance bekommen habe, so ein wunderbares Jahr zu erleben,  vor allem weil es mich in meiner persönlichen Entwicklung so weitergebracht hat.

Ich habe unglaublich viel erlebt, bin an meine Grenzen gegangen und habe sie überwunden. Mir ist aufgefallen, dass ich Vieles zum ersten Mal getan habe, Dinge zu denen ich vorher einfach keine Gelegenheit hatte oder die ich mich nicht getraut hätte (Dinge, die für den ein oder anderen sicherlich gar nicht so besonders sind, aber für mich war es neu) – Einmal reiten, an einer fast glatten Felswand hochklettern, 1500 Höhenmeter hoch- und wieder runterwandern, von einer 6m hohen Plattform springen, eine Schlange um den Hals oder ein Krokodil in den Händen haben, Wale unter Wasser singen hören und so vieles mehr. Einzigartige Erlebnisse, die ich nie vergessen werde.

Es gab so viele Höhen, aber natürlich auch Tiefen. Das Jahr war unglaublich vielfältig, auch aus emotionaler Sicht. Ich war wütend, enttäuscht, frustriert, unmotiviert, traurig, verletzt, habe Angst, Heimweh und Panik erlebt. Aber ich war genauso eben auch begeistert, beeindruckt, fröhlich, glücklich, gerührt, stolz, habe Spaß, Frieden und Erfüllung erlebt. Ich glaube, in so kurzer Zeit so viele unterschiedliche Gefühle so intensiv zu erleben ist eine Besonderheit dieses Jahres, die nicht wiederholbar ist.

Eigentlich hatte ich die letzten paar Wochen vor meinem Heimflug gedacht, der Abschied würde verkraftbar werden, weil ich mich sehr auf zu Hause freute. Ich hatte das Gefühl, einen Abschnitt zu beenden und sagte mir, es sei ein guter Zeitpunkt um zu gehen. Natürlich hatte ich den Abschied komplett unterschätzt. Die letzte Woche war unglaublich stressig, in jeder Hinsicht. Mit packen, aufräumen und den tausend Dingen, die einem dann doch noch einfallen, wäre ich eigentlich schon genug eingespannt gewesen. Doch es kamen natürlich noch die Abschiede dazu. Von einigen Menschen konnte ich mich so verabschieden, wie ich es gehofft hatte: mit Wehmut und Bedauern zwar, aber mit dem Wissen um die Notwendigkeit des Abschieds im Hinterkopf. Doch dann gab es auch die Abschiede, bei denen man die Kontrolle verliert. Und die gesamte letzte Woche wusste ich plötzlich nicht mehr, warum ich eigentlich weggewollt hatte. Die Augenblicke als wir Winterton verlassen hatten bzw. als wir mit dem Flugzeug abhoben, werde ich wohl nie vergessen. Es war so endgültig.

Und jetzt bin ich wieder hier, wo alles so vertraut ist. Es war sehr schön, Freunde und Familie wiederzusehen und ich habe mich mittlerweile wieder ganz gut eingelebt. Allerdings war die Anfangszeit nicht so einfach: Die vielen Besuche haben mich zwar sehr gefreut, aber irgendwann war mir alles ein bisschen zu viel. Es kam noch dazu, dass viele Dinge geregelt werden mussten, wie die Einschreibung an der Uni, sodass mir eigentlich kaum Zeit blieb, um die neue Situation und den Abschiedsschmerz zu verarbeiten. Zwischendurch hatte ich ziemlich Heimweh; auch etwas, was mich erstaunt hat. Mittlerweile habe ich mich wieder an Vieles gewöhnt und es hat sich auch nicht viel verändert im letzten Jahr. Meine Abwesenheit fällt mir nur auf, wenn ich Kinder anschaue, die deutlich größer  geworden sind.

Aber ich musste mich noch etwas an die Art der Deutschen gewöhnen, die im Vergleich zu Südafrikanern doch recht distanziert wirken. In Südafrika wird man immer sehr herzlich begrüßt und meistens sofort umarmt, was manchmal auch etwas seltsam wirken kann, wenn man die Person eigentlich kaum kennt. Hier hingegen wirkt das Händeschütteln auch unter langjährigen Bekannten doch etwas reserviert. Etwas Mühe hatte ich außerdem mit meiner Erwartung, ich würde mit Fragen gelöchert werden. Das war nicht unbedingt der Fall, was mich etwas verunsichert hat. Allerdings wissen die Menschen wahrscheinlich gar nicht genau, was sie fragen sollen. Ich denke, eine große Rolle spielt auch das Bild, was viele von Afrika im Allgemeinen haben. Jemand hat einmal zu mir gesagt: „ Interessant war es ja sicher, aber schön wahrscheinlich eher nicht, oder?“ Das hat mir ein wenig zu denken gegeben - denn natürlich war es auch wunderschön – aber für die Menschen hier ist Afrika einfach so fremd und anders, dass viele sich nicht vorstellen können, dass man dort auch z.B. einen ganz normalen Alltag haben oder sich im Supermarkt wirklich alles kaufen kann.

Ich kann das nachvollziehen: Im Moment wirkt Südafrika auch für mich so weit weg. Ich muss mir immer wieder bewusst machen, dass ich wirklich dort war. Es hat etwas Irreales, fast wie ein Traum. Das liegt womöglich auch daran, dass ich mich so gut wieder in meine Familie eingefügt habe und mein Studium bald anfängt, worauf ich mich schon freue.

Dennoch frage ich mich oft, was wohl gerade in Winterton passiert, wie es den Leuten geht und ob sie genauso an mich denken. Dann hoffe ich, dass ich nicht so schnell vergessen werde und es irgendwie schaffe, Kontakt zu halten. Bis ich irgendwann wieder hinfliegen kann.