Bericht Nr. 1

Donnerstag, 19.12.2013

So, hier kommt mein erster Bericht. Wer mag, kann ihn gerne lesen - Rückblick und Projektbeschreibung in einem. Das meiste steht aber auch in den Blogeinträgen.

Isibani – Bringing Light

Vier Monate Freiwilligendienst liegen hinter mir – ich kann nicht glauben, wie schnell die ersten Wochen vergangen sind. Ich bin mit vielen Erwartungen und Vorstellungen nach Südafrika geflogen und stelle fest, dass selbst die beste Vorbereitung nicht zeigt, was wirklich auf einen zukommen wird. Das soll nicht bedeuten, dass meine beiden Seminare nutzlos waren: Ich habe hilfreiche Tipps bekommen, tolle Erfahrungsberichte von Ehemaligen gehört und vor allem den Austausch mit anderen Freiwilligen sehr genossen. Im Vorfeld hat mir das viel von meiner Nervosität genommen und auch während der letzten Wochen weitergeholfen. Allerdings habe ich auch erst im Flugzeug richtig realisiert, dass ich ein Jahr sehr weit weg von zu Hause sein werde. Anfangs hat mich alles ein bisschenüberfordert: die vielen unterschiedlichen Menschen, die Arbeit mit kleinen Kindern, fremde Sprachen, auf sich allein gestellt sein. Zum Glück hatte ich direkt viele Ansprechpartner und meine Mitfreiwillige Freya, sodass ich die Anfangszeit gut überstanden habe.

Mittlerweile habe ich mich ziemlich gut eingelebt in Winterton. Das ist ein kleiner Ort in den Drakensbergenin einer sehr ländlichen Umgebung. Die Hauptstraße bildet das Zentrum, wo es einen Supermarkt und einige kleinere Geschäfte gibt. In diesem Teil wohnt die weiße und auch wohlhabendere Bevölkerung, während jenseits der stillgelegten Bahngleise das Township Khethani beginnt. Hier leben hauptsachlich Zulus, die zahlenmäßig größteVolksgruppe in Südafrika, die in dieser Region die schwarze Bevölkerungsmehrheit stellt. Nicht alle sind arm, aber in ländlichen Gegenden besteht die Trennung zwischen den Hautfarben leider auch nach dem Ende der Apartheid weiter.In Großstädten dagegen leben Menschen mit den unterschiedlichsten kulturellen Hintergründen. Besonders aufgefallen ist mir das, als Freya und ich für ein Wochenende in Johannesburg waren. Das ist eine riesige Stadt, wo man alle 11 Landessprachen zu hören bekommen kann. Wir haben uns mit einem Mann unterhalten, der allein 6 davon sprechen konnte! Bei so einer Vielfalt unterhalten sich die meisten Leute in Englisch oder einem Mix aus allem. Das war für uns neu, weil in Winterton die meisten Zulus gar kein Englisch können. Da das natürlich nicht immer einfach ist, versuchen wir nebenbei ein paar Wörter zu lernen. In einer Großstadt wie Johannesburg hat man natürlich mehr Möglichkeiten, v.a. was Freizeit betrifft und es gibt auch deutlich mehr junge Leute, was es einfacher macht, Anschluss zu finden. Allerdings bekommt man kaum etwas von der Kultur mit, weil v.a. die Jugendlichen keinen Wert mehr darauf legen. Hier in Winterton und Umgebung dagegen leben viele noch recht traditionell. Ich finde es sehr interessant, diese Kultur ein bisschen miterleben zu können, auch wenn ich manches befremdlich finde oder nicht nachvollziehen kann. Eine tolle Erfahrung war zum Beispiel die Einladung zum Braai (so nennt man hier das Grillen) in einem kleinen Dorf. Wir saßen in einer traditionellen Rundhütte, haben den Frauen beim Kochen geholfen, mitgegessen und mussten uns dauernd fotografieren lassen. Das war auf jeden Fall eine einzigartige Erfahrung.

So, jetzt aber mal zu meiner Arbeit: Ich arbeite im Isibani Community Centre, wo es viele verschiedene  Projektegibt. Das Motto lautet nämlich: “To be a guiding light through the darkness“.Jeder, der Hilfe braucht, soll auch Unterstützung bekommen.

Crèche und Baby Day Care: Diese beiden Betreuungsangebote sollen Müttern ermöglichen, ihre Kinder für wenig Geld unterzubringen, während sie arbeiten gehen.  Im Baby Day Care werden 18 Kinder von 0-2 betreut, während in der Crèche die Älteren sind, d.h.26 Kinder von 2-5. Das ist auch mein Hauptaufgabenbereich, wobei ich speziell in der Crèche helfe. Um halb 8 kommen die Kinder an und können bis 10 Uhr spielen. Dann gibt es Frühstück und danach geht es nach draußen. Nach dem Mittagessen um 12 wird geschlafen und die Kinder können spielen bis um halb 3 das Taxi wiederkommt. Dreimal die Woche kommt eine Frau, die ein bisschen Sunday School mit den Kindern macht. Meine Aufgabe ist es, mit den Kindern zu spielen und sie v.a. etwas zu fördern. Das bedeutet hauptsächlich ihnen Englisch beizubringen, mit ihnen zu malen, zu zählen usw.. Weder die Eltern noch die Erzieherinnen beschäftigen sich groß mit den Kindern, was auch durch die Kultur bedingt ist. Sie sehen ihre Rolle hauptsächlich darin, auf die Kinder aufzupassen. Weil beide Einrichtungen beim Department of Social Development registriert werden sollen, soll alles umstrukturiert werden. Es müssen bestimmte Standards erfüllt werden und v.a. soll den Kindern die bestmögliche Betreuung gewährt werden. Der erste Schritt war das Tauschen der Räume, sodass die größere Gruppe mehr Platz hat. Dabei sind auch gleich schon die Wände bunt bemalt worden. Des Weiteren habe ich den ganzen Bürokram übernommen, was bedeutet, dass ich mich um die Akten und die Aufnahme-Formalitäten kümmere. Ich wirklich gespannt, wie sich das entwickelt und hoffe, dass alles so klappt, wie ich mir das vorstelle.

Charity Shop: Montags und donnerstags öffne ich jeweils für zwei Stunden den Charity Shop. Dort verkaufen wir Kleiderspenden für umgerechnet 1-2 Euro. In einem abgetrennten Bereich haben wir außerdem ein Lager, aus dem wir Sachen ausgeben, wenn jemand gar kein Geld für Kleidung hat. Meine Aufgabe ist es, die Kleiderspenden zu sortieren, einzuräumen, den Shop zu öffnen und die Einnahmen zu verwalten.

Matthew 25: So heißt dieLebensmittelausgabe, die jeden Freitag stattfindet. Der Name kommt von der Bibelstelle: „Denn als ich hungrig war, habt ihr mir zu essen gegeben…“ (Matthäus 25). Deshalb wird erst zusammen gebetet, dann gibt es ein Gespräch zu einem vorbereiteten Thema und eine Aufgabe, wie z.B. Fenster putzen oder im Garten helfen. Nach ein paar Sandwiches und Tee werden die Lebensmittel verteilt. Die Leute bekommen einen Sack Maismehl und eine Tüte mit Dingen wie Bohnen und Zucker. Um festzustellen, ob jemand berechtigt ist, an dem Programm teilzunehmen und wie viel er bekommt, wird ein Home Visit gemacht. Ich helfe manchmal beim Verteilen der Lebensmittel und staune immer wieder, wie Frauen 20kg-Säcke auf dem Kopf tragen können.

VCT Testing und Clinic Day: Bei Isibani kann man HIV-Tests machen lassen und entsprechende Beratung bekommen. Außerdem ist zweimal im Monat Clinic Day, wo sich die Leute ihre Medikamente abholen können, damit sie nicht ins Krankenhaus fahren müssen. Dann kommt auch eine Mobile Clinic, wo man sich untersuchen lassen kann. Es gibt auch Beratung und Untersuchungen für Schwangere und Mütter. Pro Cinic Day kommen schätzungsweise 200-300 Menschen, was auch daran liegt, dass sie sich hier besser aufgehoben fühlen als im Krankenhaus. An diesen Tagen muss das ganze Team helfen, weil es so viel zu tun gibt. Ich wiege meistens die Leute und suche die Medikamente raus. Außerdem bin ich für die Datenbank zuständig und muss z.B. eintragen, welche Patienten ihre Medikamente abgeholt haben.

Special Needs und CP Day: Beides findet einmal im Monat statt. Es kommen Therapeuten aus dem Krankenhaus, die Beratung und Übungenfür die Patienten anbieten. CP Day ist speziell für Kinder, die an Zerebralparese leiden, eine geistige und körperliche Behinderung. Mit regelmäßigen Übungen können die Kinder aber erstaunliche Fortschritte machen. Auch für die Organisation dieser Tage bin ich zuständig, was bedeutet, dass ich den Raum vorbereiten muss und den Therapeuten helfe, was wirklich interessant ist.

Holiday Club: In den Schulferien gibt es ein viertägiges Programm, was für die Kinder kostenlos ist. Die Organisation und Durchführung gehört auch zu unseren Aufgaben. Leider ist das nicht ganz einfach, weil man sich nicht auf die Helfer verlassen kann, sodass die Planung sehr spontan und flexibel sein muss. Es gibt verschiedene Workshops, wie Basteln, Tanzen, Singen etc., deren Ergebnisse am letzten Tag bei einer kleinen Party präsentiert werden. Außerdem bekommen die Kinder etwas zu essen und können frei spielen. Die Intention ist, die Kinder von der Straße zu holen und positiven Einfluss zu nehmen. Auch wenn es meistens sehr chaotisch abläuft, haben alle viel Spaß.

Außerdem gibt es Sozialarbeiter, die in Schulen gehen, Hausbesuche oder Beratung machen. Ein weiteres Projekt von Isibani ist der Place of Safety, auf dessen Gelände auch unsere Wohnung liegt. Das ist Freyas Hauptaufgabenbereich, die die Hausmama unterstützt. Aber ich sehe die Kinder trotzdem häufig. Kurz zur Erklärung: In dem Haus leben Kinder, die aus ihren Familien genommen wurden. Sie sollen übergangsweise in einer sicheren Umgebung untergebracht werden, bis sich eine Möglichkeit gefunden hat, sie z.B. zu Verwandten zu geben. Momentan leben dort 9 Kinder von 7 Monaten bis 13 Jahren. Um die Kinder zu schützen, dürfen keine Besucher aufs Gelände und keine Fotos ins Internet, weshalb ich auch keine in meinen Blog stellen darf. Die Kinder sind mir schon ans Herz gewachsen und es ist schön zu sehen, dass sie trotz ihrer Geschichten so viel lachen können. Umso schwerer fällt es, sie  gehen zu lassen, auch wenn man weiß, dass es so am besten ist.

Ich bin jeden Tag von 8-16 Uhr bei Isibani. Außerdem mache ich einmal die Woche mit Freya zusammen eine Stunde Religionsunterricht in der Grundschule bei einer fünften Klasse. Leider haben wir einen ziemlich unruhigen Haufen erwischt, was die Aufgabe nicht gerade einfacher macht. Wir werden sehen, wie das in Zukunft klappt.

Also, mir geht es gut und ich bin zufrieden mit dem Leben hier. Alleine zu wohnen mit allem, was dazu gehört, klappt viel besser als erwartet. Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass ich mich mit Freya sehr gut verstehe. Nach der ersten Zeit habe ich mich ganz gut eingelebt und gewöhne mich an Vieles. Trotzdem gibt es immer wieder Neues zu erleben und zu lernen. Wahrscheinlich werden noch einige Höhen und Tiefen auf mich zukommen. Ich bin gespannt auf die nächsten 8 Monate!